Das Wunder ist möglich

Bildquelle: Christoph Breithaupt

Veröffentlicht am 26.01.2024 in der "Mittelbadischen Presse"

Mit dem Einzug ins Halbfinale der Handball-EM hat das deutsche Team sein Ziel erreicht. Obwohl das 23:30 gegen Kroatien Fragen aufwarf, glaubt Junioren-Bundestrainer Martin Heuberger aus Schutterwald, dass am Freitag (20.30 Uhr/ZDF) gegen den Olympiasieger Dänemark, der auch die letzten drei Weltmeisterschaften gewann, eine Sensation drin ist.

Wir stehen tatsächlich im Halbfinale der Handball-EM. Ist es typisch deutsch zu sagen: Ja, aber ...

Ich sage nicht: Ja, aber. Denn die spielerische Leistung war trotz der Niederlage gegen Kroatien gut. Wir haben nur versäumt, die Chancen zu verwerten und haben dadurch viele Tempospiel-Gegentore­ bekommen. Es lag auch am Torhüter. Kuzmanovic, der im Sommer noch bei der U21-WM gespielt hat, war überragend. Hinzu kommt: Wenn man vor dem Spiel erfährt, man ist im Halbfinale, egal, was gleich passiert, dann fällt was ab, und der letzte Tick fehlt vielleicht.

Gehören wir tatsächlich zu den besten vier Teams dieser EM, oder hat die Auslosung kräftig mitgeholfen?

Ich mache es nicht daran fest. In der deutschen Hauptrundengruppe geht es enger zu als in der anderen. In den letzten Jahren haben wir enge Spiele verloren, jetzt sieht das durch den Heimvorteil anders aus. Wir haben den Abstand zur Weltspitze verkürzt.

Zieht die Niederlage gegen Kroatien etwas nach sich, oder ist sie völlig egal, wie Andy Wolff glaubt.

Völlig egal. Wenn du im Halbfinale stehst, reißt du dir auf gut Deutsch gesagt den Arsch auf und tust alles dafür, ins Finale zu kommen.

Wie schätzen Sie den Kräfteverschleiß im deutschen Team ein?

Die Leistungsträger Golla,­ Knorr und Köster sind jung und stecken diese Belastungen leichter weg als Duvniak bei Kroatien oder der Däne Mikkel Hansen. Der eine Tag Pause tut unseren Jungs gut, wieder frisch zu sein. Dänemark hatte einen Tag mehr Pause, der aber ein Reisetag war.

Gislason hat gegen Kroatien gewechselt. Dadurch hatten Ihre U21-Weltmeister Nils Lichtlein und Renars Uscins starke Momente.

Uscins hat es schon in den Spielen zuvor ordentlich gemacht. Lichtlein war eine Viertelstunde lang super, ein belebendes Element im Angriff. Den hätte er noch länger spielen lassen können. Aber nach dem Fünf-Tore-Rückstand wollte der Bundestrainer wieder die Arrivierten bringen. Wer gegen Kroatien leider nicht performt hat, war Justus Fischer am Kreis. Er hatte drei Chancen, die er machen muss und normalerweise auch macht. Er wird daraus lernen. Lehrgeld zahlen gehört dazu. 

Im Turnier fällt der Chancenwucher als großes Problem des DHB-Teams auf. Kann man das trainieren, oder ist es Kopfsache?

Das Ganze ist auch abhängig vom gegnerischen Torhüter. Generell kommt es darauf an, wie geworfen wird. Da habe ich mich über Fischer geärgert. Er springt hoch und landet wieder auf beiden Beinen. Da muss er sich reinhängen und notfalls mit dem Ball ins Tor springen. Generell das Risiko einzugehen, Kopfleger oder Dreher zu machen, finde ich nicht immer gut. Positiv ist andererseits, dass die Jungs diese Wurfvarianten beherrschen. Und im Spiel ist die Drucksituation einfach größer als im Training.

Sehen Sie eine Schwachstelle bei Dänemark?

Ich bin gespannt, wie sie die Niederlage gegen Slowenien verarbeiten. Sie wollten ihre Leistungsträger schonen, aber nicht verlieren. Ich weiß auch nicht, ob sich die Dänen bewusst sind, was sie in Köln erwartet. Das ist eine andere Kulisse als zuvor in Hamburg mit den eigenen Fans im Rücken. Ich bin gespannt, ob sie Deutschland als ernsthaften Gegner annehmen.

Linksaußen Rune Dahmke sagt: Gegen Dänemark verliert man acht- von zehnmal. Was denken Sie?

Da ist was dran. Sie sind die Topnation der letzten Jahre. Bleiben wir bei Dahmke: Zweimal gibt’s die Option. Und wir setzen alles daran, dass am Freitag ein solcher Tag ist.

Sie glauben also an das Handball-Wunder vom 26.  Januar 2024?

Natürlich. Jedes Spiel muss gespielt werden. Die meiste Energie kommt nicht aus der Ernährung, sondern aus der Emotion. Unsere Spieler werden brennen und den Funken überspringen lassen. Der Handball-Tempel in Köln wird beben. Da ist was drin.
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