Wie verzweifelt sind die Bayern?

Zumindest in diesem Punkt herrscht Einigkeit in München: Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß sind die prägendsten Figuren, die der FC Bayern je hatte. Doch abgesehen von der Ballbehandlung, gibt es noch einen großen Unterschied zwischen beiden. Der „Kaiser“ konnte sagen, was er wollte.

Seine Weltmeister von 1990 beschimpfte er ungeniert und ungestraft als „Blinde“ und „Topfenkicker“, seine Münchner verhöhnte er, wenn’s sein musste, als „Schülermannschaft“. Was interessierte ihn schon am nächsten Tag sein Geschwätz von gestern? „Firlefranz“ war die härteste Kritik, die er dafür einstecken musste.

Bei Uli Hoeneß ist das anders. Mit seinen Ausbrüchen stürzt der Poltergeist vom Tegernsee Experten, Fans und Laien in einen Interpretationssumpf. Der ist weit schlimmer ist als in meiner Schulzeit, wenn der Deutschlehrer wissen wollte, was ein pubertierendes Pickelgesicht davon hielt, dass Kafka schrieb: „Bald wohl hörtest du das herrliche Schlagen seiner Fäuste an deiner Tür.“

Mitten im Endspurt der Trainersuche sprach der Bayern-Patron seinem weltläufigen Noch-Trainer Tuchel den Willen ab, Talente zu entwickeln und machte auch noch die Körbe öffentlich, die sich die Münchner bei Xabi Alonso und Nagelsmann einhandelten. Damit degradierte er jeden weiteren Kandidaten automatisch zur dritten Wahl.

Hat der Metzgersohn aus Ulm das Schlachtmesser gewetzt? Verfolgt er eine geheime Strategie? Oder ging ihm der Gaul durch?

„Hoeneß wird zur Belastung für den FC Bayern“, drohte die „Bild“-Zeitung. Der alte „Calli“ Calmund vom neuen Meister Leverkusen reagierte routiniert: „Uli hatte schon immer solche Aussetzer.“ Währenddessen hielt die Münchner „tz“ unter der Schlagzeile „Hat Hoeneß doch recht?“ ein Plädoyer für den Ehrenpräsidenten, indem sie vermeintliche Schwachstellen von Tuchel summierte: Pavlovic sei nur eine Notlösung gewesen, Davies und Musiala stagnierten, Tel habe er ignoriert und den an Leverkusen ausgeliehenen Stanisic quasi verschleudert.

Wir Ahnungslosen überlegen derweil: Wollte Hoeneß womöglich besonders gewieft sein und mit seiner Kritik verhindern, dass die neuen Bayern-Bosse aus Mangel an Alternativen den zum Saisonende ausgemusterten Thomas Tuchel beknien, doch weiterzumachen? Immerhin gibt es schon 7500 Unterschriften für diese Idee ...

Ein erstes Ergebnis ist bekannt: Ralf Rangnick bleibt lieber Nationaltrainer von Österreich. Die gute Nachricht dabei: Den Bayern-Profis bleibt ein taktikversessener Fußballnerd erspart, der Führungsetage ein schwäbischer Besserwisser. Die schlechte Nachricht formulierte Marcel Reif bekannt brillant: „Die Bayern sind nicht mehr der Rufer in der Wüste, zu dem alle Kamele rennen.“

Wer hätte das je für möglich gehalten? Es gibt gleich vier namhafte Trainer, die nicht alles stehen und liegen lassen, nur weil die Münchner (mit dem Scheckbuch) wedeln? Alonso, Nagelsmann, Emery, Rangnick, Schmidt: Dieses Quintett hat dem FC Hollywood gezeigt, dass die Säbener Straße aktuell nicht mehr zu den feinsten Adressen in Europa zählt.

Wenn es so weitergeht, müssen die verzweifelten Bayern bei den Verzweifelten unter den Trainern suchen, um doch noch fündig zu werden. Sie könnten eine Art soziales Projekt der letzten Chance starten. Dann würde Günther Jauch fragen: Wer wird neuer Bayern-Trainer?

a) Tayfun Korkut, b) Jogi Löw, c) Hansi Flick oder d) Felix Magath?

Einer von denen macht’s garantiert.

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