Was hilft gegen Mülleritis?

Tabellenführung hin oder her: Der FC Bayern ist aktuell das Klinikum Süd des deutschen Fußballs. Das liegt längst nicht nur an der prominenten Verletztenliste mit Musiala, Neuer, Davies, Koman, Upamecano und Ito, der den dritten (!) Mittelfußbruch in dieser Saison erlitten hat.

Da ist vor allem noch die Mülleritis – eine Art emotionale Entzündung, gegen die kein Antibiotika wirkt. Die Ausmusterung von Vereinsikone und Fanliebling Thomas Müller (35) hallt nach. Und wie!

Rational ist die Entscheidung nachvollziehbar, empathisch aber voll in die Hose gegangen. Weil öffentlich wurde, dass Müller nach 25 Jahren und 33 Titeln gerne noch ein Jährchen drangehängt hätte, der Verein aber nicht.

Die Zustimmungswerte tendieren gen Null. Was auf der Hand liegt: „Jeder Mensch mag Müller“, sagt ZDF-Experte Chris Kramer, und Tennis-Ass Sascha Zverev wird noch deutlicher: „Als Bayern-Fan finde ich es idiotisch, ihn nicht mehr dabeihaben zu wollen.“

Für alle, die jetzt schon das Heimweh plagt, ein paar seiner besten Sprüche: Auf die Frage, warum er so selten verletzt ist, antwortete er: „Ich bin der Müller ohne Wohl­fahrt, ich kenne mich da nicht aus.“ Und zum Eigensinn von Tormaschine Robert Lewandowski meinte er einst: „Ich habe ihn gefragt, ob er nicht richtig fit ist oder ob er das nächste Level erreicht hat, weil er auf einmal Bälle im Strafraum an besser Postierte durchlässt.“

Unvergessen ist auch der Einlauf, den Müller einer kolumbianischen Reporterin verpasste, die nach dem glorreichen WM-Finale von Rio auf Englisch wissen wollte, wie sehr es ihn ärgere, dass er den Goldenen Schuh des Torschützenkönigs verpasst habe: „Des interessiert mich ois net, der Scheißdreck. Weltmeister samma. Den Pott hamma. Den scheiß Goldenen Schuh kannst dir hinter die Ohren schmiern!“

Bastian Schweinsteiger, der geborene Schelm, übersetzte den O-Ton Müller sehr frei mit den Worten: „Er hat gesagt, du siehst gut aus. Und er ist glücklich, den Titel gewonnen zu haben!“

Müller sieht auch elf Jahre danach gut aus. Besonders beim Champions-League-Viertelfinale gegen Inter Mailand, als er unter ohrenbetäubendem Jubel zum 1:1 ausglich. „Kein Spieler ist größer als der Verein. Aber Thomas Müller ist ganz nah dran!“, entfuhr es DAZN-Kommentator Jonas Friedrich.

In diesem Moment bröckelte der Lack bei Trainer Vincent Kompany, der Müller trotz der vielen Verletzten bis zur 72. Minute auf der Bank schmoren ließ. Mit der abenteuerlichen Begründung, Raphael Guerreiro habe auf der verwaisten Musiala-Position gegen Bochum zwei Tore geschossen. Dieses Argument könnte ihm auf die Füße fallen. Zumindest dann, falls die Münchner ihre 1:2-Niederlage im Rückspiel nicht reparieren.

Das Klinikum West des deutschen Fußballs hat den gleichen Standort wie sein Museum: Dortmund. Die Borussia, die in der Bundesliga seit Monaten wie Falschgeld spielt, wurde in der Königsklasse vom FC Barcelona abgekocht wie ein Frühstücksei. Und das lag längst nicht nur am schwer verletzten Abwehrstrategen Nico Schlotterbeck.

Immerhin folgte ein lebhaftes 2:2 beim deutschen Clásico in München. Der zur Bescheidenheit gezwungene BVB-Geschäftsführer Ricken rettete sich in die Feststellung: „Das war gute Samstagabend-Unterhaltung.“

Die Intensivstation des Klinikums Süd und die Psychiatrie des Klinikums West trennten sich unentschieden. Damit können beide leben. Doch was heißt das schon für die Rückspiele in der Champions League?

 

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