Rüdiger steht jetzt für Rüpel – zumindest im Fußball. Der Tobsuchtsausbruch von Nationalspieler Antonio Rüdiger am Ende des spanischen Pokalfinales war eine neue Stufe der Eskalation beim leidigen Thema „Meckern, Mosern und Motzen“.
Für die wenigen, die es noch nicht wissen: Als der Schiedsrichter auf Stürmerfoul gegen Teamkollege Mbappé entschied, drohte der verletzt ausgewechselte Innenverteidiger von Real Madrid wegen dieser Lappalie Amok zu laufen: Er warf ein Tape auf den Referee, schleuderte unfeine Worte wie „Hurensohn“ und „Missgeburt“ hinterher und konnte nur mit geballten Kräften der Betreuer abgehalten werden, noch schlimmere Dinge zu tun.
Rüdiger war wie von Sinnen, und alle Welt fragt sich: Was hat ihn bloß geritten?
Der Dunkelhäutige aus Berlin-Neukölln, den Fredi Bobic einst für 38.000 Euro aus der U19 des BVB zum VfB holte, hat mit 32 Jahren eine Weltkarriere als Kicker hingelegt und ist selbst hochsensibel, wenn es um rassistische Dinge geht. Er gilt als einer, der das Herz am rechten Fleck hat, engagiert sich bei Hilfsprojekten und spendet großzügig.
Nun streiten sich die Geister.
Toni Kroos, jahrelang die geniale Passmaschine von Real Madrid, packt seinen ehemaligen Mitspieler in Watte: „Er kriegt seine Strafe, aber wir müssen nicht so tun, als ob er irgendjemanden umgebracht hat.“
Das nicht. Allerdings fiel Rüdiger schon vor ein paar Wochen auf, als er den Fans des Stadtrivalen Atlético Madrid eine halsabschneiderische Geste zeigte.
Trotz alledem hüllt sich der DFB in Milde. Keine Sanktionen für den Vizekapitän, nur eine Rüge „Er fordert zu Recht Respekt für sich ein, diesen Respekt muss er ohne Ausnahme auch anderen entgegenbringen“, sagt Sportdirektor Rudi Völler.
Das klingt nach Aussitzen und bringt Stefan Effenberg auf die Palme. Kein Wunder. Der Experte von „Sport1“ ist bei diesem Thema allergisch. Er wurde 1994 von der WM nach Hause geschickt, nachdem er den deutschen Fans den Stinkefinger gezeigt hatte. „Völler hat mit wohlklingenden Worten am Ende wenig bis gar nichts gesagt. Das ist ein komplett falsches Signal“, findet „Effe“.
Das kann man so sehen. Zumal Rüdiger ein prominentes Vorbild und nur die Spitze des Eisbergs ist. Fußball war schon immer ein Pöbelsport.
Im Gegensatz zu den Handballern, die als Musterknaben gelten.
Dem war nicht immer so. In den alten TuS-Zeiten standen die Schiedsrichter nicht unter Naturschutz. Schutterwald-Manager Edgar Heuberger nannte sie gerne die „Totengräber des Handballs“. Im Kalenderjahr 1985 kassierte er drei Rote Karten, weil er unerlaubt das Feld betrat und sich in einer Mischung aus Bittsteller, Provokateur und Pulverfass vor den Pfeifenmännern aufbaute. Im Stile eines Volksschauspielers. Aber das sind Peanuts im Vergleich zu Rüdiger.
Mittlerweile haben streng angewendete Regeln wie die Zeitstrafe für Meckern, das Time-Out bei Spielunterbrechungen sowie die Handball-Kultur an sich dafür gesorgt, dass selbst Fehlentscheidungen klaglos hingenommen werden.
Schön und gut. Aber was machen wir nur mit den motzenden Fußballern?
Eigentlich kann die Antwort nur ein Maulkorb sein. Vorschlag zur Güte: Jeder Meckerer muss künftig mit einer der vielen eingelagerten Atemschutzmasken weiterspielen, deren Verfallsdatum abgelaufen ist. So sparen wir die Millionenbeträge, die dafür aufgebracht werden, um den Corona-Müll zu verbrennen.