Mit dem Spiel der Spiele ist das so eine Sache. Eine hochgradig individuelle sowieso. Für den SC Offenburg war es der 3. September 2014. Ein Mittwoch, an dem das erste Derby um Punkte gegen den OFV 2300 Zuschauer zum kleinen Sportplatz in Albersbösch lockte. Sogar wildfremde Radfahrer hielten am Zaun an und fragten: „Wie steht’s?“
Das Magazin „11Freunde“ legte sich anderweitig fest und ernannte das „Wunder von der Grotenburg“ zum größten Fußballspiel aller Zeiten. Gemeint ist das Viertelfinalrückspiel im Europacup der Pokalsieger am 19. März 1986. Bayer Uerdingen hatte das Hinspiel bei Dynamo Dresden 0:2 verloren, lag zur Pause 1:3 hinten und schoss dann die Sachsen mit 7:3 aus dem Stadion.
Das Segelboot aus dem Westen hatte das Flaggschiff des Ostens versenkt. Was für eine Geschichte!
Auch die Begleitumstände reichten dem Sensationsniveau des Spiels locker das Wasser: Dresdens damaliger Trainer Klaus Sammer verlor anschließend seinen Job, Dynamos Torhüter-Legende Bernd Jakubowski erlitt einen Schulterbruch, der seine Karriere beendete, und Stürmer Frank Lippmann seilte sich in den Westen ab.
Es war eine David-Goliath-Geschichte, die den Stoff für dieses Spektakel lieferte. So, wie am Donnerstag in Heidenheim.
Auf dem Schlossberg der schwäbischen Provinzstadt kreuzte der ruhm- und steinreiche FC Chelsea auf. Keineswegs freiwillig. Der Algorithmus des Uefa-Computers spuckte bei der Auslosung der Conference League diese Partie aus. Angesichts der 30 Profis des Londoner Clubs fragte spontan ein User im Netz: „Passt der Kader des FC Chelsea überhaupt ins Stadion?“
Vor dem denkwürdigsten Spiel in der Geschichte des 1. FC Heidenheim 1846 erhob der „Spiegel“ im Rahmen einer großen Reportage den FCH in den Rang einer „schwäbischen Hausfrau im deutschen Fußball“. Vor diesem Hintergrund ließen sich wunderbar die gravierenden Unterschiede beider Kontrahenten darstellen. Finanziell. Aber auch in punkto Nachhaltigkeit. Seit Frank Schmidt vor 17 Jahren als Trainer begann, hat der FC Chelsea 19 seiner Kollegen verschlissen. Vor dem Anpfiff hissten die FCH-Fans ein riesiges Konterfei von Schmidt mit der Aufschrift: „God save the King“.
Und Heidenheims Co-König war aus gegebenem Anlass im ZDF-Sportstudio. Dort erzählte Vereinschef Holger Sanwald vom zweitägigen Poker mit Benfica um Jan-Niklas Beste. Den zähen Unterhändler habe man halt so lange mit Schnitzel und Spätzle durchgefüttert.
Während des Spiels ließ sich Sanwald von RTL verkabeln, damit seine Reaktionen auf der Tribüne direkt in die Wohnzimmer übertragen werden konnten. Aber auch da sagte er, wen wundert’s, stinknormale Sachen. „Das gibt’s doch ned!“, war seine Reaktion, als Chelsea nach 50 Minuten und 40 Sekunden in Führung ging.
Beim deutschen Clásico liegen die Dinge ein bisschen anders. Das Duell zwischen Dortmund und den Bayern findet jedes Jahr mindestens zweimal statt. Und sein Sensationsgehalt definiert sich aus einem Gemisch von Sprüchen, Toren und Roten Karten. Dass die erstmals eingesetzte Kamera am Ohr von Schiedsrichter Jablonski ein Hauptthema war, zeigt, dass die Neuauflage am Samstag nicht zum Aufreger taugte. Folgerichtig gab es beim 1:1 keinen Sieger.
Übrigens: Heidenheim hat verloren gegen Chelsea. So wie der SCO damals gegen den OFV. Die ganz großen Spiele müssen nicht zwangsläufig gewonnen werden.