Novemberblues

So ein Leben als Fußballlehrer ist kein Kindergeburtstag. Dazu braucht’s nicht nur ein Diplom, sondern auch ein dickes Fell und optimale Sauerstoffsättigung, denn je höher es geht, desto dünner wird die Luft. Idealerweise kommt noch ein schmerzfreies Verhältnis zum Verfallsdatum hinzu.

Ganz oben pfeift der Wind am heftigsten. Ist es also mehr als nur Zufall, dass mit Slot, Guardiola und Kompany drei Klubtrainer aus Europas höchstem Regal erhebliche Lücken im Haupthaar aufweisen?

Im Ernst: Beim FC Liverpool wurde im Herbst aus Arne Slot der arme Slot. Erst beerbte der Holländer die Trainerlegende Jürgen Klopp auf ungeahnte Weise mit dem Gewinn der Englischen Meisterschaft, dann pumpten die amerikanischen Investoren 500 Millionen Euro in den LFC – und was passiert? Mit sechs Niederlagen in den ersten zwölf Spielen wurden die „Reds“ zum Punchingball der Premier League. Hinzu kam die 1:4-Demütigung in der Champions League gegen Eindhoven.

Uli Hoeneß, dem die britischen Dukatenesel schon lange ein Dorn im Auge sind, lästert mit der Binsenweisheit: “In Liverpool haben sie nur noch Häuptlinge und keine Indianer mehr!“ Dann verdrückt der Bayern-Patron noch eine Träne im Knopfloch für seinen entgangenen Königstransfer, der lieber auf die Insel als an die Isar wollte: „Der arme Wirtz bekommt ja keinen Ball mehr, weil Salah und Szoboszlai mit ihrem eigenen Ball spielen wollen.“

Anders als Slot trägt Xabi Alonso dazu bei, dass Frisöre noch Fulltimejobs haben. Doch so sicher wie die englische Bank ist der Job des Basken auf der Bank von Real Madrid keineswegs.

Fakt ist: Der neue Wunschcoach der „Königlichen“ hat wettbewerbsübergreifend 15 von 20 Spielen gewonnen. Eine Katastrophenbilanz sieht anders aus. Trotzdem gibt es mediales Raunen um Alonso. Und drei sieglose Spiele am Stück gegen Liverpool, Vallecano und Elche genügten, so meint die „Süddeutsche Zeitung“, „dass die Trompeten der Apokalypse entstaubt werden.“

Seit Alonso im Oktober beim Clásico gegen Barcelona die Majestätsbeleidigung riskiert hat, den durchgeknallten Superstar Vinicius jr. auszuwechseln, wird ihm angedichtet, möglicherweise die Kabine verloren zu haben. Seine ewig langen Taktiksitzungen seien nervend. Und eine schnelle Lösung haben die Kritiker auch: Sollte Slot in Liverpool scheitern, könnte Xabi Alonso an der Anfield Road andocken, wo er als Spieler Kultstatus erlangte.

Im Vergleich dazu ist der Alltag von Vincent Kompany beim FC Bayern der reinste Kuschelkurs.

Als er vor knapp anderthalb Jahren als Nachfolger eines kollektiven Irrtums namens Thomas Tuchel geholt wurde, war er siebte oder achte Wahl. Doch inzwischen hat der sanfte Riese aus Belgien mit Man-City-Vergangenheit das Pulverfass München entschärft, befriedet und auf strammen Erfolgskurs gebracht.

„Wir hatten ja Trainer, da war jede Woche nach der Pressekonferenz der Feuerlöscher im Einsatz. Aber jetzt müssen die Journalisten wieder arbeiten. Denn Kompany liefert nichts außer Fußball“, sagt Hoeneß, platzt beinahe vor Begeisterung – und vergisst dabei völlig, wie viele Feuerwehreinsätze seinetwegen schon nötig waren.

Kompany hat die erste Saisonniederlage beim FC Arsenal, aus der ganz schnell eine Prestigeangelegenheit mit XXL-Format wurde, clever vom Tisch gewischt: „Niemand will der Beste im November sein.“

Das mit dem Novemberblues würden Slot und Alonso ungelesen unterschreiben.

Zurück zum Blog