Lieber Bart oder zart?

Dass Kleider Leute machen, ist ein Motto aus der Mottenkiste. Frage: Gilt das auch für „Bärte machen Männer“? Orientiert man sich an Kaiser Friedrich Barbarossa, Jahrgang 1122, einer der Pioniere der Gesichtsbehaarung, führt das unweigerlich zu dem Schluss: Der Bart ist ein Machtsymbol.

Es geht also um Autorität. Nehmen wir nur Hasan Sali­hamidzic, genannt „Brazzo“. Was so viel heißt wie Bürschchen. Der Bosnier hatte zu Beginn seiner Zeit als Bayern-Sportvorstand ein Akzeptanz-, womöglich sogar ein Autoritätsproblem. So griff er zum schwarzen Vollbart, der ihm rein äußerlich etwas Mafiöses verlieh. Doch als er im Verbund mit Kahn, dem Titan, das Trainertalent Nagelsmann vorschnell über die Klinge springen ließ, hieß es für den Bosnier: aus die Maus.

Auch Hansi Flick, dessen eingebaute Erfolgsgarantie spätestens dann gewaltig angezweifelt wurde, als herauskam, dass er versucht hatte, die Nationalelf mit einem Video über Wildgänse auf die Fußball-WM in Katar einzustellen, ließ den Rasierapparat weg, um im Sommer mit dem Abenteuer Barcelona einen Neuanfang zu wagen. Und was passierte? Er legte in der spanischen La Liga einen perfekten Saisonstart hin und wurde zum Trainer des Monats August gewählt.

Ein Che Guevera des Fußballs

Selbst Markus Söder, der Bayern schon sechs Jahre mit dem Anspruch „echte Männer braucht das Land“ regiert, lässt sich auf seine alten Tage einen Bart stehen. Ob ihn der am Union-Rivalen Merz vorbei ins Kanzleramt sprießt, ist ein anderes Thema. Genauso wie die Frage: Raubt das glatte Kinn Olaf Scholz die Führungsstärke? Egal – bei der „Ampel“ ist der Bart längst ab.

Doch Bärte sind viel mehr als nur taktisches Geplänkel. Paul Breitner, der gefühlt schon mit einem Wildwuchs zur Welt kam, war damit der geborene Rebell, ein Che Guevara des Fußballs.

Es geht aber auch geschniegelt: der dressierte Bart als Kunstwerk. So wurde der ehemalige VfB- und Schalke-Torjäger Kevin Kuranyi im Jahr 2006 vom Bart & Kultur Club „Belle Moustache“ mit dem Ehrentitel „Bart des Jahres" ausgezeichnet.

Keine Form des Bartes war jemals beliebter, aber auch verpönter als der gute, alte Schnäuzer. Selbst der smarte Jogi Löw verbrachte Jahre seines Lebens mit so einem Oberlippenbart.

Der erhielt schließlich durch Handball-Weltmeister Heiner Brand absoluten Kultstatus, ehe er in Verruf geriet, weil die dünne, kurzrasierte Variante eines Pornodarstellers der 1970er-Jahre als „Pornobalken“ verhöhnt wurde. Dieser Begriff erhielt sogar Einzug ins „Wörterbuch der Jugendsprache“.

Moustache Blanc

Doch das ist alles Schnee von gestern. Spätestens NFL-Profi Travis Kelce, noch viel berühmter als Freund von Popmegastar Taylor Swift, hat dem Schnurrbart endgültig zur Renaissance verholfen. Schon zehn Jahre zuvor hatte die elsässische Zeitung „Dernières Nouvelles d'Alsace“ den damaligen OB-Kandidaten Toni Vetrano als „Moustache Blanc“ zu einer Marke gemacht und auf den Chefsessel des Kehler Rathauses geschrieben.

Übrigens: Tom Brady, Quarterback-Denkmal des American Football, hat einen Zehnjahresvertrag als Co-Kommentator beim Fernsehen abgeschlossen: Honorar: 375 Millionen Dollar – das ist mehr, als er in seiner gesamten Karriere verdient hat.

Brady trägt keinen Bart. So wenig wie Josh Kimmich, der neue Kapitän der Nationalelf. Womit wir wieder bei der Rolle des Anführers wären. Die trauen dem Bayern-Ehrgeizling längst nicht alle zu. Und die Moral von der Geschicht’? Die einen mögen Bart, die andern mögen’s zart.

 

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