Ist Freundschaft hinderlich

Als Klassiker des Fußballromans gilt das 1955 erschiene Buch von Sammy Drechsel mit dem Titel „Elf Freunde müsst ihr sein“. So lautete die Inschrift der Victoria-Statue. Und die war die Vorläuferin der Salatschüssel, mit der inzwischen der deutsche Fußball-Meister dekoriert wird.

Reichlich verstaubt also, dieses Motto. Trotzdem gibt es sie noch: (Männer)Freundschaften im Fußball.

So wie bei Marco Rose und Jürgen Klopp. Problematisch wird’s nur, wenn der eine der Chef des anderen wird.

Beide sind beste Kumpels seit ihrer gemeinsamen Zeit im Trikot des FSV Mainz. Aber nun musste „Kloppo“ in seiner neuen Rolle als oberster Fußballchef des Red-Bull-Imperiums die Entlassung von Rose abnicken. Wie er sich dabei gefühlt hat, wissen wir nicht. Klar ist: Klopp war befangen. Aber so was von.

Denn im Grunde seines großen Herzens liebt er solche Fußball-Romanzen: Marco Rose als Trainer in seiner Geburtsstadt Leipzig. 934 Tage lang – mit dem Pokalsieg 2023 als Höhepunkt. Die Fans waren verknallt in ihn. Und er liebte diesen Job.

Doch plötzlich war der Wurm drin. Viele Verletzte, peinliche Auftritte in der Champions League, Stagnation in der Bundesliga. „Die roten Bullen sind nur noch satte Milchkühe“, lästerte die Frankfurter Rundschau.

Rose tat ein Übriges: Das Erklären der VAR-Eingriffe übers Stadionmikrofon nannte er „den neuesten Scheiß aus Amerika.“ Einem Global Player wie seinem Arbeitgeber Red Bull schmeckt das wie kalter Kaffee von hintervorgestern. Nun ist der „rose-rote Traum geplatzt“, wie die „Bild“-Zeitung feststellte. Und wir drücken beide Daumen, dass die Freundschaft von Rose und Klopp das aushält.

„Freundschaft – das ist wie Heimat“, davon war selbst ein kritischer Geist wie Kurt Tucholsky überzeugt. Da sind wir direkt beim FC Bayern und Thomas Müller. An der Säbener Straße ist das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. „Müller spielt immer“, hatte sein Entdecker und Förderer Louis van Gaal vor 15 Jahren gesagt. Aktuell verbringt der Kult-Bayer und Raumdeuter auf dem Spielfeld die meiste Zeit auf der Bank. Längst war durchgesickert, dass die Seele des Vereins keinen neuen Vertrag mehr bekommt.

Mit 35 ist das keine Ohrfeige. Aber es geht ums Wie. Die Bayern-Bosse schwiegen beharrlich, bis Müller die Katze endlich aus dem Sack ließ. Auch dass er gerne noch ein Jahr drangehängt hätte. Doch die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass der FC Bayern nicht mehr so flüssig ist. Neue, üppige Verträge für Kimmich, Davies und vor allem Musiala, der nach Mbappé und Haaland der neuerdings am drittbesten bezahlte Kicker der Welt sein soll, fressen das Festgeldkonto auf.

Laut „kicker“ verhindert nur noch das Startgeld von 30 Millionen Euro für die Klub-WM im Juni ein bilanzielles Minus. Und bei Müller ließen sich bis zu 17 Millionen Euro einsparen.

Nun soll Amerika zum goldenen Ausweg werden. Müller könnte sich dem Münchner Kooperationsverein Los Angeles FC anschließen. Damit käme er runter von der Gehaltsliste, bliebe aber im Bayern-Kosmos.

Die Frage unter Freunden ist nur: Kann aus Radio Müller tatsächlich Radio Miller werden?

In Leverkusen wird das Thema Freundschaft gerade auf eine Zerreißprobe gestellt. Bayer hat ausgedoubelt. Nach der Pokal-Blamage beim Drittligisten Bielefeld war Leitwolf Granit Xhaka in aggressive Diskussionen mit den Ultras verstrickt.

Eins ist klar: Am 24. Mai in Berlin gegen den VfB werden die Arminen elf Freunde sein. Und dann weiß man nie.

 

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