Halbfinale auf dem Mond

Bei Völlegefühl raten Ärzte und Apotheker zu Buscopan. An dieser Stelle ist das keine Schleichwerbung, weil niemand weiß, ob das Präparat auch gegen Übersättigung in Sachen Fußball hilft.

Die droht nun in besorgniserregendem Maße. Gesund ist es schon längst nicht mehr, was den Profifußballern das liebe, lange Jahr über zugemutet wird. Aber selbst für Fernsehsportler steht die Droge Fußball mittlerweile auf dem Index – unwägbare Risiken und Nebenwirkungen für Körper, Seele und Geist.

Zu allem Überfluss werden Champions League und Europa League aufgepumpt. Das neue XXL-Format der Königsklasse beinhaltet vier Clubs plus zwei Spieltage mehr und doppelt so viele Partien wie bisher. Die Krönung sind 18 parallel stattfindende Spiele zum Abschluss der Ligaphase, die es anstelle der Gruppenphase gibt.

Leverkusen, Stuttgart, FC Bayern, Leipzig und Dortmund wurden acht Gegner aus vier Töpfen zugelost – nicht von einer Losfee, sondern von einem mit verschiedensten Kriterien gefütterten Computer.

Skeptiker zweifeln das vorgegebene Zufallsprinzip an und fühlen sich ein wenig an die Mär erinnert, die Hofweiers Handball-Altmeister Simon Schobel gerne erzählt: Der heimliche Held der Geschichte ist Eugen Haas, Macher der Gummersbacher Europacup-Triumphe in den 1970er-Jahren. Der soll mit gekühlten Kugeln aus dem Eisschrank dafür gesorgt haben, dass seinem VfL bei der Auslosung die schwersten Brocken erspart blieben.

Schaun mer mal, ob die Spannung tatsächlich erhöht wird mit 36 Teams, die acht Spiele austragen und am Ende in einer Liga-Tabelle so eng zusammenliegen wie Hühner in der Legebatterie.

Aber wozu sich über die Champions League aufregen? Am 15. Juni beginnt in den USA die Klub-Weltmeisterschaft. Mit 32 statt bisher sieben Startern. Dauer: vier Wochen. Mitten in der Urlaubszeit. Für Europas „Top 12“ ist die Teilnahme zwingend. Da kennt die Gelddruckmaschine Fifa kein Pardon. Wäre es technisch möglich, würde deren Boss Infantino das Halbfinale auf dem Mond austragen lassen, um die Sieger anschließend zum Endspiel zurück auf die Erde zu beamen.

Auf den Mond schießen würden viele Fans am liebsten den VAR. Vor allem die in Gladbach. Dort haben sie den Elfer nicht verwunden, der beim Bundesliga-Start in der 101. Minute zum 2:3 gegen Leverkusen führte. Selbst Schiedsrichter-Chef Kircher schwante vor dem Fernsehen nichts Böses: „Toll geklärt“, dachte er. Allein der VAR machte einen Strafstoß daraus.

Dieser Video-Assistent, der als Hilfe gedacht war, hat sich zu einem Analyse-Monster verselbstständigt. Szenen werden unter dem Mikroskop seziert wie bei einer Obduktion. So lange, bis eine unabsichtliche Berührung aussieht wie vorsätzliche Körperverletzung. Mit dem Fußball, den wir alle lieben, hat das nicht mehr viel zu tun.

„Der VAR wurde erfunden für klare Fehlentscheidungen: Anrotze Rijkaard, klares Abseits, Lampard WM 2010 gegen Deutschland oder das Wembleytor 1966“, sagt Comedian Tommi Schmitt, „aber geworden ist daraus ein bürokratisches Element, das den Schiedsrichter zum Clown ohne Macht degradiert.“

Da hat einer den Schuss gehört. Die frustrierten Gladbacher versuchen’s mit einer Petition gegen den VAR. Aber warum nicht größer denken?

Bevor sie abgeschaltet wird, könnte die „Ampel“ als letzte Amtshandlung den VAR im Zuge der Bundestagswahl 2025 zur Volksabstimmung bringen. Dann würde wenigstens mal die Wahlbeteiligung in die Höhe schnellen.

 

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