Gegen den Strom

Mit den Fußstapfen ist es so eine Sache. Schon die Schreibweise ist eine Stolperfalle. Und dann erst die Bedeutung: Die Grünen denken womöglich an den ökologischen Fußabdruck, den einer Person zugerechneten CO₂-Verbrauch.

Der französische Filmregisseur François Truffaut deutete das ungleich praktischer: „Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt.“ Da ist was dran, und für Fußballtrainer gilt das ganz besonders.

Nehmen wir nur mal die Tabelle der dienstältesten Bundesligacoaches. Die wird angeführt vom Heidenheimer Frank Schmidt, der dort seit über 6000 Tagen im Amt ist. Das sind 17 Jahre. Ein Nachfolger ist aktuell unvorstellbar. Müsste geklont werden.
Auf Rang zwei folgt Volker Finke, der von 1991 bis 2007 beim SC Freiburg 5843 Tage lang das Sagen hatte. Bis in Christian Streich (4463 Tage) ein Mann mit ähnlichem Charisma auftauchte, wurden Robin Dutt und Marcus Sorg verschlissen. Das geht noch und ist mit Glück und der Freiburger Harmonie zu erklären.

In Karlsruhe verriss es neun Trainer, ehe der KSC nach der Ära von Kulttrainer Winnie Schäfer mit „Ede“ Becker vorübergehend wieder in ruhigeres Fahrwasser kam.

Ähnlich lief’s in Bremen: Dort gaben sich nach „König Otto“ mit Aad de Moos, „Dixie“ Dörner, Sidka und Magath gleich vier Kollegen die noch warme Klinke in die Hand, ehe Thomas Schaaf zum neuen Rehhagel wurde.

Und in Dortmund suchen sie bis heute nach einem Jürgen Klopp 2.0.

All die Gescheiterten haben eins gemein: Die Fußstapfen ihrer Vorgänger waren mehrere Nummern zu groß.

Aktuell schwimmen zwei Vereine gegen diesen Strom, der ein Amazonas ist und vor Piranhas wimmelt: der FC Liverpool und der SC Freiburg.

Als Klopp nach neun Jahren, einem Champions-League-Triumph und der Meisterschaft in der Premier League die „Reds“ verließ, galt sein Nachfolger als fliegender Holländer, nicht nur weil Arne Slot, der das Himmelfahrtskommando übernahm, Niederländer ist.

Klopp ist in Liverpool ein Denkmal. Es gibt ein riesiges Wandgemälde von ihm. Da halten Busse an, und Touristen machen Fotos. Stadion­sprecher Sephton beschrieb seinen Abschied von „Kloppo“ so: „Auf einem Flur hat er Campino stehen lassen und gab mir die größte Umarmung, die man sich vorstellen kann. Danach dachte ich: Wenn ich heute Nacht sterbe, dann als glücklicher Mann.“

Klopp berührt die Menschen. „Ihn zu ersetzen, kann einen Verein in eine jahrelange Sinnkrise führen“, meint das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Und dann kommt Slot daher, von dem der Stadion­sprecher nie gehört hatte, und stellt mit 15 Siegen aus 17 Spielen einen neuen Startrekord für England auf, während Pep Guardiola mit ManCity viermal in Folge verliert.

Ist das pervers, paradox – oder nur geträumt? Nichts von alledem.

In Freiburg tut sich Ähnliches. „Schuster bleib’ bei deinen Leisten“, heißt ein Sprichwort. Und Kultstürmer Nils Petersen sagte über den neuen SC-Trainer Julian Schuster: „Er ist der längste verlängerte Arm eines Trainers, den ich je gesehen habe.“

Dennoch schwamm sich Schuster von seinem berühmten Vorgänger frei, als hätte Christian Streich nicht mal eine Badehose. Schuster gelang wie Slot ein Startrekord.

Solange die beiden gewinnen, ist alles gut. Das gilt auch fürs Kontrastprogramm ihrer Zunft, die Feuerwehrmänner wie Labbadia oder Magath. Die werden erst gerufen, wenn’s brennt. Wehe, sie löschen nicht, dann sind sie ganz schnell verbrannt.

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