Geboren, um zu treffen

Selbst bekennende Fußball-Laien haben es schon gehört: „Das Runde muss ins Eckige“. Nun ist es beileibe nicht jedem Kicker gegeben, die Herberger’sche Weisheit in die Tat umzusetzen. Aber es gab sie zu allen Zeiten – die Vollstrecker, die Strafraumgespenster, die aus nichts alles machen.

Sie sind geboren, um zu treffen.

Früher trug das Toreschießen den Namen Gerd Müller. „Er war der wichtigste Spieler in der Geschichte des FC Bayern“, sagt der, den alle dafür halten – Franz Beckenbauer.

„Kleines, dickes Müller“, wie ihn sein Trainer „Tschik“ Cajkovs­ki nannte, machte 735 Tore und stellte in der Bundesliga 1971/72 mit 40 Treffern einen Rekord für die Ewigkeit auf.

Bis Robert Lewandowski kam. Der Pole schoss 49 Jahre später ebenfalls im Trikot der Bayern 41 Tore und trug sich am 22. September 2015 ins Guinnessbuch der Rekorde ein. Gegen Wolfsburg kam er beim 0:1-Rückstand erst nach der Pause aufs Feld und erzielte binnen 8:59 Minuten fünf Treffer zum 5:1-Sieg.

„Lewa“ stürmt jetzt für Barça und hat mit 37 die 750-Tore-Marke übertroffen, was in etwa Müllers Ausbeute ausmacht. Es ist nicht mehr so einfach wie früher, als das Hamburger Ungeheuer Horst Hrubesch sein Erfolgsrezept so beschrieb: „Manni (Kaltz) Bananenflanke, ich Kopf – Tor!“

Lewandowski stellt viel mehr auf die Beine. Aber was er nicht wirklich gewinnt, sind die Herzen der Fans. Das Magazin „Polityka“ nennt ihn einen „kalten Profi“. Viele glauben, Werbung sei ihm wichtiger als Werte.

Auch Cristiano Ronaldo rennt den Sympathien öfter hinterher als dem Ball, den er so perfekt beherrscht wie kaum einer. Der Portugiese mischt mit 40 Jahren noch an allen Fronten mit, was seiner eisernen Disziplin geschuldet ist. „CR7“ ernährt sich mit sechs kleinen Mahlzeiten vorwiegend von Fisch, Proteinen und Wasser, schläft fünfmal 90 Minuten am Tag und ist gefühlt öfter im Fitnessstudio als im Schlafzimmer.

Aktuell sahnt er in Saudi-Arabien ab, ist unterwegs zum ersten Fußball-Milliardär, strebt die 1000 Tore-Marke an und hat die WM 2026 im Kopf. Mit dann 41 Jahren.

Aber die Leute lieben Harry Kane. Der Brite ist 32 und hat mit den Bayern gerade den allerersten Titel seiner Karriere geholt. Er kann als einziger Engländer perfekte Elfmeter schießen und überhaupt: Er trifft und trifft und trifft. Schon in der Schule nannten sie ihn „Hattrick-Harry“.

Aktuell steht er bei 103 Toren in 106 Spielen für München. Aber das bedeutet dem vierfachen Familienvater längst nicht die Welt: „Die Meisterschaft mit Bayern ist mehr als alle Auszeichnungen für die besten Torschüsse.“

Profi-Nörgler Sammer findet ihn „atemberaubend“. Dabei ist sein Erfolgserlebnis das Gegenteil: Harry Kane lässt seinen Mitspielern Luft, um selbst zu glänzen.

So viel zur Gegenwart: Die Frage ist: Gibt’s ein Leben nach diesen Tormaschinen? Oder sind nur noch falsche Neuner am Start?

Die aktuelle Antwort ist Erling Haaland. Der Wikinger, 25 erst, hat knapp 350 Tore auf dem Konto und einen lebenslänglichen Vertrag bei ManCity in der Tasche.

Eine Wette auf die Zukunft ist Nick Woltemade. Newcastle United war sie 90 Millionen Euro wert. Und „Big Nick“ hat in den ersten vier Partien schon dreimal eingenetzt.

Die Bayern fletschen immer noch mit den Zähnen. „Ich kann denen in Stuttgart nur gratulieren, dass sie in Anführungszeichen einen Idioten gefunden haben, der so viel Geld bezahlt hat“, schäumt Rummenigge.

Wie sauer muss man sein, wenn man so was sagt?

 

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