Flo oder Floh?

Im Namen der Spannung wartet ganz Deutschland darauf, dass sich die Bayern eine Blöße geben. Vergeblich. Klub-WM hin, Strapazen her.

Das glatte Gegenteil passiert: zehn Spiele, zehn Siege – der beste Saisonstart ever. „Bayern ist aktuell die beste Mannschaft in Europa“, sagt Sky-Experte Lothar Matthäus. Und Stefan Effenberg droht: „Das ist erst der Anfang.“

Hat Florian Wirtz doch einen Fehler gemacht?

Die Münchner wollten ihn unbedingt – doch er wollte lieber nach Liverpool.

Dort verspottet ihn nun die britische Presse als „Wirtz 007“. Soll heißen: null, Tore, null Vorlagen – und das in sieben Spielen! Erschwerend hinzukommt, dass es für die „Reds“ zuletzt drei Niederlagen in Serie setzte.

Der 140-Millionen-Mann Florian Wirtz in Liverpool: Flo oder doch nur ein Floh?
Vorläufig heißt die Antwort: weder noch.

Die Briten können gnadenlos sein. Das wissen wir nicht erst, seit Bundestrainer Berti Vogts einst anlässlich eines Länderspiels in Wales mit der Schlagzeile empfangen wurde: „Sauerkraut Berti, he fights dirty!“

Jetzt nehmen sie sich Wirtz zur Brust. Noch mit angezogener Handbremse, wegen der zweifelsfrei nachgewiesenen Weltklasse des Ex-Leverkuseners. Doch Liverpool-Legende Jamie Carragher nimmt kein Blatt mehr vor den Mund: „Wirtz ist überhaupt nicht auf der Höhe. Im Moment denke ich, dass er aus der Mannschaft herausgenommen werden muss.“ Skandalnudel Wayne Rooney sieht das ähnlich: „Wirtz beeinträchtigt eher die Balance der Mannschaft. Ich sehe nicht, wie er in das System passt.“

Das sind Zweifel, die über eine Formkrise erhaben sind. Selbst Boris Becker denkt so: „Vielleicht überschätzen wir Florian Wirtz“, meint die Tennis-Ikone und fragt: „Ist er vielleicht nicht ganz so gut, wie wir das wünschen?“

Von Medienkonsum ist dem 22-jährigen Edeltechniker vom Niederrhein in diesen Tagen jedenfalls strikt abzuraten.

Wie moderiert man das weg, wenn’s nicht läuft in einer Mannschaft, die nicht eingespielt ist? Wenn der Funke nicht überspringt? Wenn die Zündung versagt?

Wirtz selbst hält sich bedeckt und spielt in eigener Sache notgedrungen auf Zeit.
Auch in der Parallelwelt der Nationalelf platzte beim 4:0 gegen Luxemburg der Knoten nicht, doch der Bundestrainer bog die Statistik zurecht: „In der Premier League hat Flo die meisten Chancen kreiert. Was kann er dafür, wenn andere nichts draus machen?“

Auch sonst spricht einiges für Wirtz. Das mit dem „007“ ist selbst Thierry Henry passiert, als er zum FC Arsenal wechselte, wo aus dem französischen Weltmeister anschließend trotzdem der erwartete Superstar wurde.

In dieser Rolle sehen die deutschen Rio-Weltmeister auch Wirtz. „Wir müssen ihm noch ein bisschen Zeit geben“, meint Schweinsteiger, „er wird uns alle verzücken.“ Und Lahm ist sicher: „Qualität und Klasse setzen sich immer durch!“

Überhaupt hielten deutsche Stars im Ausland meistens, was sie versprochen haben. Allen voran Toni Kroos, der als Passmaschine von Real Madrid fünfmal die Champions League gewann. Legendär ist auch das Trio Matthäus–Brehme–Klinsmann, das sich im Trikot von Inter Mailand mit den holländischen Milan-Assen Gullit, van Basten und Rijkaard fetzte. Das Ganze gipfelte bei der WM 1990 in der Spuckattacke von Rijkaard gegen Völler.

So weit muss es ja bei Florian Wirtz nicht kommen. Der wäre schon froh, wenn der Anfield Road alsbald die Spucke wegbleiben würde. Wegen seiner Künste am Ball.

 

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