Der Blick auf viele Sportlerkarrieren zeigt eines glasklar: Abtreten ist viel schwieriger als antreten, auftreten oder gar nachtreten.
Das Loslassen gehört zum Schwierigsten für einen, der im Rampenlicht lebt. Schon Shakespeare wusste: „Alter schützt vor Torheit nicht.“
Nehmen wir nur Mike Tyson. In seinen besten Zeiten verdiente er sich als Boxweltmeister aller Klassen den Namen „Iron Mike“, weil seine eisernen Fäuste alles niederrammten, was sich ihm in den Weg stellte. Im Sommer wäre der 58-Jährige nach eigenen Angaben beinahe gestorben. Gründe nannte er nicht.
Vielleicht besser so. Denn vor zwei Wochen kehrte er in den Ring zurück. Um gegen einen 31 Jahre jüngeren Internetstar zu kämpfen, den YouTuber Jake Paul, der bei Instagram 21 Millionen Follower hat. Es war weder eine Prügelei noch eine Schlägerei, sondern die reinste Farce. Tyson landete ganze 18 Treffer und verlor nach Punkten. Beim Streamingdienst „Netflix“ brach die Technik zusammen, so dass Millionen User sich die Nacht umsonst um die Ohren schlugen.
Seither gehen Fake-Gerüchte und Verschwörungstheorien durch die Decke. Vielleicht gilt das auch für die Gage von 20 Millionen Dollar, die Tyson zugesagt waren.
Bei Lindsey Vonn ist es eher Geltung als Geld: Fünf Jahre nach ihrem Rücktritt kündigt die schillerndste Skirennfahrerin aller Zeiten ein Comeback an: Mit 40 und einem künstlichen Knie will sie zurück auf die Abfahrtspisten. Alle fragen sich: Hat sie einen Sprung in der Schüssel?
Für Österreichs Idol Franz Klammer (70) steht das außer Frage: „Wenn sie das mit der Prothese wirklich macht, hat sie einen Vollschuss!“ Vonn hat so ziemlich alles durch: vierfache Gesamtweltcupsiegerin, 82 Weltcup-Rennen gewonnen, eine Affäre mit Tiger Woods und eine öffentlich gemachte Depression. Nur genug hat sie nicht.
Das gilt auch für Kollege Marcel Hirscher. Wobei der Slalomartist nach seinem Rücktritt 2019 nie wirklich weg vom Skisport war. Er schuf eine eigene Skimarke. Mit der wagte sich der Österreicher vor ein paar Wochen wieder in den Weltcup. Der erste Versuch endete auf Rang 23, der zweite auf 46. Gestern fädelte er ein.
Wie war das doch gleich mit dem Rad der Zeit ...?
Andere wollen einfach nicht aufhören. Rafael Nadal ließ sich den kaputten Fuß taub spritzen. Was er seinem Körper antat, grenzt an Tierquälerei – obwohl (oder gerade weil) die Tenniswelt dem 38 Jahre alten Sandplatzkönig aus Mallorca sein halbes Leben lang zu Füßen lag.
Vor ein paar Tagen hat er das letzte Match seiner Karriere sang- und klanglos verloren. Danach waren sich Fachleute einig, er wäre für eine weitere Partie im Davis Cup nicht mehr aufgestellt worden. Ein trauriges Ende.
Cristiano Ronaldo hat günstigere Gene. Der Portugiese schießt mit 39 noch Tore am Fließband, schon über 900 in seiner Kicker-Karriere. Auch sein ewiger Rivale Lionel Messi (37) gehört zur Kategorie: „Die Katze lässt das Mausen nicht.“ Wetten, dass beide noch bei der WM 2026 aufkreuzen? Bescheuert ist nur, wer dagegen setzt.
Hierzulande hat Manuel Neuer mit 36 einen offenen Beinbruch wegtrainiert, um nochmal ganz oben einzugreifen. Und Josh Kimmich jagt nicht bloß die 150 Länderspiele von Lothar Matthäus, er hegt gar Ambitionen auf die WM 2032. Dann wäre er, na was wohl? – 39 ...
Es geht auch anders. Kürzlich räumte Jogi Löw ein, er hätte nach dem WM-Debakel 2018 den Weg freimachen sollen. Da hat tatsächlich einer die Zeichen der Zeit erkannt. Viel zu spät zwar. Aber besser als nie.