Der Sohn des Geheimagenten

Julian Nagelsmann hat den meistbeachteten Job im deutschen Fußball. Wenn’s um die Wurst geht, gibt’s in unserem Land Millionen Bundestrainer, die alles besser wissen. Und so eine WM-Quali ist kein Kindergarten. Den Tschechen-Coach Hasek hat das 1:2 gegen die Färöer den Job gekostet. Sein schwedischer Kollege Tomasson überstand ein 0:1 gegen den Kosovo nicht.

Auch Nagelsmann hat sich vor ein paar Wochen blamiert – beim 0:2 in Bratislava gegen die Slowakei, als seine Laschi-Kicker den Dienst am Vaterland quittierten. Doch der Bundestrainer drehte den Spieß um und grätschte nach den Pfiffen mit offener Sohle die deutsche Nörglermentalität ab: „Wenn wir alle wie Hyänen im Busch warten, bis ich endlich wieder einen beißen und sagen kann, wie beschissen er alles macht, weiß ich nicht, ob man sich super entwickelt als Land.“

Keine Frage: Rhetorisch ist Nagelsmann der beste Bundestrainer seit Beckenbauer. Und der Sohn eines Geheimdienstagenten hat sich beachtlich entwickelt, seit sein Vater sich das Leben nahm, als er 20 war, und eine schwere Verletzung kurz danach die Karriere stoppte.

Er denkt groß. „Jetzt ist es blöd, dass man zwei Jahre warten muss, bis man Weltmeister werden kann“, sagte er nach dem Viertelfinal-Aus bei der EM gegen Spanien. Und er scheut sich nicht anzuecken. Als jüngster aller Bayern-Trainer verknallte er sich in eine Reporterin der „Bild“-Zeitung.

Doch klammheimlich hat sich Nagelsmann zum Großmeister der Anpassung entwickelt. Erst schraubte er seine schrillen Outfits zurück, dann nahm er einige Kurskorrekturen vor. Die Schmach gegen Österreich im Herbst 2023 ließ ihn zum strengen Leistungsprinzip zurückkehren. Nach Bratislava impfte er seinen Stars die Emotionalität ein, was ein dreckiges, aber gefeiertes 1:0 in Nordirland auslöste. Und er machte Käpt’n Kimmich ein zweites Mal zum Rechtsverteidiger.

Jetzt sind alle gespannt, wie er sich in der Causa Neuer verhält. Wegen des unsicheren Kantonisten ter Stegen (verletzt und im Verein degradiert) diskutiert die Nation über eine Rückkehr des bald 40-Jährigen ins Tor der Nationalelf.

Noch ist das ein reines Medienthema, so unnötig wie manch ausgerufene Regierungskrise, die nur den Rändern in die Hände spielt.

Nagelsmann reagiert genervt, aber cool: „Meines Wissens ist Neuer von sich aus zurückgetreten. Wir haben kein Torwart-Problem.“

Stimmt. Womöglich wiegt es mehr, dass der Co-Trainer weg ist. Sandro Wagner, der das Jugend-forscht-Projekt von Nagelsmann ideal unterfüttert hatte, suchte eine eigene Herausforderung.

Jetzt irrlichtert er als Coach des FC Augsburg emotional durch die Bundesliga und sagt so Sachen wie: „Druck ist, wenn ich als Familienvater meine Kinder nicht ernähren kann. Druck ist nicht, wenn wir 1:4 gegen Mainz verlieren.“

Wagners Nachfolger beim DFB heißt Benjamin Hübner. Hand aufs Herz: Wer kennt den schon? Vielleicht hätte Nagelsmann den „Tiger“ holen sollen. Hermann Gerland (71) gilt als bester Co-Trainer der Welt und hat bei Bayern unter all den Granden gedient, von Jupp bis Pep.

Das Ruhrpott-Original, das Ulrich zu Hoeneß sagt, wenn er sauer auf ihn ist, gilt als harter Bursche: „Auf Gefühle gebe ich gar nichts. Dreimal hatte ich das Gefühl, einen Sohn gezeugt zu haben, aber wir haben drei Töchter...“

Und er schwört aufs Kopfballpendel. Genau diese Schule braucht Nick Woltemade. Nicht auszudenken, wo das noch hinführt – bei einer Körpergröße von 1,98 m.

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