Das neue Symbol der Demokratie

Nur noch knapp die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in einer Demokratie. Tendenz sinkend. Nicht auszudenken, wenn es dem Lügner Trump gelingen sollte, das Flaggschiff USA mithilfe einer zweiten Präsidentschaft zum Kentern zu bringen.

Auch hierzulande stehen die Warnleuchten angesichts der Enthüllungen um die AfD und dem drohenden Erdrutsch bei den Landtagswahlen in Thüringen auf Rot. Umso erfreulicher sind die Großdemos gegen Rechtsradikale in vielen deutschen Städten. Umso erstaunlicher ist der Erfolg, den die Fußballfans mit ihrem kreativen und hartnäckigen Protest gegen die Hinterzimmer-Politik der DFL errungen haben. Jetzt sind die wochenlang zum Zweck der Spielunterbrechung aufs Feld geflogenen Tennisbälle das neue Symbol der Demokratie.

Am Mittwoch hieß es: Spiel, Satz und Sieg für den kleinen Mann in der Kurve. Der geplante Deal mit CVC wurde gekippt. Ein Deal, bei dem der Investor über 20 Jahre eine Milliarde Euro in den deutschen Fußball pumpen sollte, dafür jährlich acht Prozent der TV-Gelder kassiert. Die Fans hatten befürchtet, dass ein Spiel dienstags um 11 angepfiffen wird, um den Markt in Fernost zu bedienen, oder ein Pokalfinale in Saudi-Arabien stattfindet.

Der Protest richtete sich aber auch gegen das intransparente Vorgehen rund um eine geheime Abstimmung, bei der Hannovers Geldgeber Kind, ein millionenschwerer Hörgeräte-Hersteller, nicht auf das Votum seines Vereins gehört haben soll.

Die Fans haben den Machtkampf gewonnen, Thomas Tuchel seinen in München verloren. Am Tag, als die DFL den Schwanz einzog, wurde der streitbare Geist zum Bayern-Trainer auf Zeit.
Das perfekte Fotomotiv dazu lieferte er gegen Leipzig. Große Teile des Spiels saß Tuchel auf einem Koffer, als habe er seine Sachen samt Abfindung schon gepackt.

Doch es war nur der Arztkoffer, und den brauchte keiner, weil Kane in der Nachspielzeit traf. Was Sky-Kommentator Wolf Fuss zur Erkenntnis brachte: „Es geht noch. Es geht auch noch mit Tuchel.“ Was sich aber ruckzuck ändern kann.

Kurz und schmerzlos, so wie sich Toni Kroos (34), weltweit beachteter Mittelfeld-Stratege von Real Madrid, nach drei Jahren bei der Nationalelf zurückgemeldet hat. Auf Instagram, wie sich das heutzutage gehört.

Dafür ließ der Bundestrainer tief blicken. Dem „Spiegel“ erklärte er nicht nur die Personalie Kroos: „Er passt als Verbindungsspieler perfekt ins Team.“ Julian Nagelsmann versetzte zudem Kimmich auf die Position des Rechtsverteidigers: „Er ist ein Diener für sein Land.“ Und verordnete vier Monate vor der EM eine neue Ausrichtung: „Die Nationalelf muss wieder Fußball arbeiten.“
Zudem sprach Nagelsmann über seinen Vater, der sich als Agent des Bundesnachrichtendienstes großem Druck ausgesetzt sah und schließlich nicht mehr leben wollte.“ Jetzt wissen wir nicht nur das, sondern auch: Der Bundestrainer hat die Winterpause zu Entscheidungen genutzt. Mit denen wird er gewinnen – oder untergehen.

Die Nationalelf ist die einzige Baustelle, auf der Xabi Alonso nicht als künftiger Capo gehandelt wird. Leverkusens Trainer-Novize ist der begehrteste Coach Europas geworden. Was sich so visualisieren lässt: An jedem Arm und Bein des Spaniers ist ein Seil befestigt. Daran zerren der FC Bayern, Liverpool, Barcelona – und Simon Rolfes.

Gut möglich, dass Alonso am Saisonende aus seinem Vertrag aussteigt. So etwas gehört zum Fußball. Und dann können die Fans Tennisbälle werfen, so viel sie wollen.

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