Das Bermuda-Dreieck

Saarbrücken ist das Bermuda-Dreieck des deutschen Fußballs. Es besteht aus Flutlicht, Regen und DFB-Pokal. In diesem Phänomen gingen nacheinander der Karlsruher SC, Bayern München, Eintracht Frankfurt und Gladbach verschütt.

„Geisteskrank“, nannte Kai Brünker den vierten Streich, den er in der Nachspielzeit mit seinem Kontertor zum 2:1 gegen die „Fohlen“ vom Bökelberg perfekt machte.

Dieser Brünker ist das Gesicht der Saarbrücker Sensationen. Schon gegen den KSC und die Eintracht erzielte er die entscheidenden Tore. Sein Vater Dirk stürmte Anfang der 1980er-Jahre für den OFV. Weihnachten vor einem Jahr verschwand auch er in einem Bermuda-Dreieck, das zwischen einer Kneipe in Villingen und der Brigach liegt. Am Ufer des Flusses wurde er am 9. März 2023 tot geborgen. Eine traurige Geschichte, die sein Sohn Kai bei aller überschäumenden Freude über die Pokal-Triumphe des Drittligisten 1. FC Saarbrücken im Herzen trägt.

Neuerdings ist auch die Nationalelf auf dem besten Weg, ein Bermuda-Dreieck zu werden – und zwar für Bundestrainer Hansi Flick, zuvor mit den Münchner Bayern der perfekte Titel-Hamster, ist schon untergegangen. Und Nachfolger Nagelsmann steht das Wasser nach vier Länderspielen bis zum Hals. Weil er nur eines gewonnen hat.

Ganz im Gegensatz zu Vor-Vorgänger Jogi Löw, der unter den Großmeistern im Aussitzen gleich hinter Alt-Kanzler Helmut Kohl zu nennen ist, hielt er keinen Winterschlaf, sondern verpasste seinem Kader knapp 100 Tage vor der Heim-EM eine Radikalkur.

Nach den Blamagen gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2), die mit dem scheinbar unverzichtbaren Dauerpersonal um Möchtegern-Anführer Kimmich eingefahren wurden, schreckt Nagelsmann vor nichts mehr zurück: Weder vor der Reaktivierung des 34-Jahre alten Rio-Weltmeisters Toni Kroos noch vor der Nominierung von Greenhorns wie Bayern-Juwel Pavlovic oder Freistoß-Zauberer Beste.

Bei Pavlovic ist es in erster Linie eine politische Entscheidung. Der 19-Jährige wurde nach nur 14 Pflichtspieleinsätzen für die Bayern zum Objekt der Begierde. Auch für Serbien, das Land seines Vaters. Doch nun macht der DFB das Rennen. „Ein wunderbarer Junge“, sagt DAZN-Experte Khedira, „aber nach nur zehn, zwölf Bundesliga-Spielen kommt die Nationalelf sportlich zu früh.“
Das sah Heidenheims Bester, Jan-Niklas Beste, bis vor kurzem noch in eigener Sache so: „Da fehlt noch ein Stück.“ Und vor ein paar Monaten hatte die „FAZ“ über den roten Bart mit der schmalen Brust geschrieben: „Da hat’s einer in die Bundesliga geschafft, der auch als Maschinist im Film ‚Das Boot’ durchgehen könnte.“

Aber der Bundestrainer scheint Ernst zu machen in Sachen Leistungsprinzip: die Dortmunder Hummels, Süle, Brandt und Schlotterbeck raus, vier Spieler vom Fashion-Club VfB rein. Das hat was, kann aber auch gefährlich werden. Denn Kroos ist nun mitsamt seiner Stammplatzgarantie dazu verdammt, den Laden nicht bloß zusammenzuhalten, sondern auch in Schwung zu bringen. Christoph Daum sieht „eine Gefahr für den Zusammenhalt der Mannschaft.“ Und „Waldi“ Hartmann, der schmerzfreie unter den Fußball-Kommentatoren, sagte neulich im „Dopa“: „Viele glauben, Nagelsmann hat mit Kroos ein Problem gelöst, dabei hat er ein zusätzliches geschaffen.“

Die Frage lautet: Wird die Nationalelf noch das Saarbrücken der EM? Oder pfeifen wir auf ein neues Sommermärchen und testen bei diesem Turnier nur für die bevorstehende WM-Qualifikation?
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