Der einst so mächtige und reiche Deutsche Fußball-Bund ist zur größten Baustelle im deutschen Sport verkommen. Die Blässe des mitgliederstärksten Fußball-Verbandes der Welt spiegelt sich auch in den Gesichtern seiner Führungsfiguren.
Alle Genießer der Formulierungskünste können sich folgendes Zitat auf der Zunge zergehen lassen. Es stammt aus einer Reportage des Magazins „11FREUNDE“ über Nagelsmann und die Nationalelf. Darin heißt es: „Interviews mit DFB-Granden sind oft Sternstunden der Bedeutungslosigkeit – chemisch gereinigt von Pressedirektoren und Beratern, damit ja kein Halbsatz so meinungsfreudig daherkommt, dass ein Boulevardmedium daraus eine Schlagzeile destillieren kann.“
Dunkle Wolken verscheucht
Wer den Spott hat, braucht für den Schaden nicht mehr zu sorgen. Doch ausgerechnet die schwer angezählten Kickerinnen haben den nächsten Scherbenhaufen erst mal abgewendet.
Nach dem WM-Debakel mit dem Vorrunden K.o. in Australien samt anschließendem Theater um die Trennung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg haben sich Kapitänin „Poppi“ und Co. tatsächlich ein Olympia-Ticket gekrallt. Dazu war immerhin Platz drei in der Nations League nötig, die eine Art Pausenfüller-EM ist. Und der gelang mit einem 2:0 beim Konkurrenten Holland.
Das ist so schlecht nicht. Im Gegenteil. Aber ist es nicht so, dass hinter den plötzlich wieder erfolgreichen Frauen einfach nur ein starker Mann steht?
Horst Hrubesch, das alte Ungeheuer, hat als Interimsbundestrainer der Herzen mit seiner antiken Art die dunklen Wolken verscheucht – und die Selbstzweifel gleich mit. Mit einfachen Kommandos („Stört sie sofort!“) ist er gefühlt ganz dicht dran an der unschlagbaren Kaiser-Parole: „Geht’s raus und spuilt’s Fußball!“
Als die Frauen-Nationalelf überm Berg war, lief im Bus Andrea Berg. Zum Zeichen des Dankes für Hrubesch, der mit 72 Jahren nicht nur ein ausgewiesener Schlagerfan ist, sondern auch der Opa der Spielerinnen sein könnte.
Doch der Streich von Heerenveen ist noch keine Trendwende beim DFB. „Der Sieg sorgt dafür, dass man unter einer schönen Oberfläche einiges bereinigen kann“, sagte die schweizer TV-Expertin Kathrin Lehmann.
Mia-san-mia-Test
Die Frauen sind auch nicht der Schuh, der den DFB am meisten drückt. Dass der hypermoderne Männer-Bundestrainer Julian Nagelsmann sein Team im Zweifel als Pflegefall einstuft, lässt die Alarmglocken dreieinhalb Monate vor der Heim-EM schrillen.
Anders lässt sich die Rückkehr des 34 Jahre alten Toni Kroos auch kaum erklären. Immerhin ist eine sportliche Reanimation von Lothar Matthäus noch nicht angedacht.
Was Nagelsmann definitiv fehlt, ist die Zeit für einen Umbruch. Der kriselnde Branchenkrösus FC Bayern München hat diese Zeit grundsätzlich nie. „Wir sind kein Ort für Entwicklungen“, hat Thomas Müller kürzlich gesagt.
Trotzdem soll jetzt jeder Stein umgedreht werden. Und zwar vom neuen Sport-Vorstand. Über den Umweg Leipzig ist der gebürtige Niederbayer Max Eberl für 4,5 Millionen Euro Ablöse endlich an seinem Sehnsuchtsort Säbener Straße angelangt. Dort will er einen Mia-san-mia-Test starten. Welcher der teils satten Stars trägt wirklich die Bayern-DNA in sich?
Die Frage lautet: Lässt der Eber(l) jetzt die Sau raus? Oder löst er das mit Schirm, Charme und Melone? Man wird in diesen Tagen das Gefühl nicht los: Wohl dem, der gerade nicht in der Nationalelf spielt – oder beim FC Bayern.