Interview mit den Klitschkos? Kein Problem

Interview mit den Klitschkos? Kein Problem

Hast du beim Schreiben des Buches manchmal ungläubig den Kopf geschüttelt, was du alles erlebt hast?

Na klar. Am Tag nach der Meisterfeier des OFV fuhr ich nicht in die Redaktion, sondern ins Krankenhaus, weil Stürmer Ralf Todzi in der Nacht der Hals aufgeschlitzt worden war. Dann das 7:0 des KSC gegen Valencia. Oder wie sich der Willstätter Torhüter Vlado Sola im entscheidenden Abstiegsspiel in letzter Sekunde selbst einwechselte – und den Pfosten traf.

Ist es heute als Sportjournalist überhaupt noch möglich, so nah an den Sportstars zu sein?

Nicht ansatzweise. 1986 bei der Handball-WM in der Schweiz hat Nationaltorwart Stefan Hecker – der Verleger möge es mir nachsehen – mit meinem eigens gebuchten Festnetzanschluss in der Halle schnell mal nach Hause telefoniert. Damals bekam man jedes Interview, das man wollte. Heute läuft alles nur noch über Kommunikationsleiter und Medienbeauftragte. Mit Voranmeldung und ordentlich Zensur. Das ist nicht mehr der Journalismus, den ich gelernt habe und liebe.

Wie ist es dir gelungen, solch eine Nähe zu den Klitschkos, Schobels und Co. aufzubauen?

Ganz ungezwungen. Simon Schobel kannte ich von den Spielen des TuS Hofweier. In meiner Berliner Zeit besuchte ich dort Arno Ehret im Krankenhaus, wo er am Knie operiert wurde. Vieles lief über Respekt und Sympathie. Bei den Klitschkos hat mir Promoter Rolf Wittmeier eine Brücke gebaut. Und nach einem Redaktionsbesuch der Brüder samt Interview war das Eis gebrochen.

Wann ist dir die Idee gekommen, das Buch zu schreiben?

An Ostern 2020 im ersten Corona-Lockdown. Ich brauchte dringend etwas Sinnvolles. Die Idee war eine Gebetserhörung.

Wie muss man sich die Umsetzung vorstellen?

Vorsichtig rantasten. Mit dem OFV-Kapitel als Testballon. Über die Kicker von der Badstraße hatte ich schon 2007 zum 100-jährigen Bestehen ein Buch verfasst. Daraus habe ich die Amateurmeisterschaft von 1984 ausgekoppelt, das Thema aber noch mal viel gründlicher recherchiert. So ergab sich das Konzept fürs Ganze: Bei allen Kapiteln nach Details suchen, die noch nie veröffentlicht wurden. Dinge, die noch nicht in der Zeitung standen.

„Blut am Saxophon“ – wie kam es zu diesem nicht nach Sport klingenden Titel?

Tatsächlich habe ich lange gegrübelt. Ich wollte weder eine Person noch einen Verein rausgreifen. Dann war da die Begegnung zwischen Wladimir Klitschko und Stadtmusikdirektor Thomas Berger. Es ging ums Saxophon. Thomas war ein Freund von mir. Er ist so früh gestorben. Der Buch­titel ist auch für ihn.

Das Buch enthält 14 herrliche Geschichten des Ortenauer Sports, die wunderbar mit der Zeitgeschichte verwoben sind. Hattest du sie alle noch im Kopf, oder musstest du Details nachrecherchieren?

Als ich mit der Idee aufwachte, hatte ich am Abend elf der 14 Kapitel auf der Liste. Aber ich erinnerte mich zunächst nur grob an Highlight-Spiele. Dann folgten jeweils wochenlange Recherchen. Die Ruhe und Geduld, jeder Spur nachzugehen, war nur während der Pandemie gegeben. Ich habe zwei Bücher komplett gelesen, dazu endlos viele Zeitungsausschnitte. Entscheidend aber waren die langen Gespräche mit den Protagonisten. Mit Schobel per Facetime auf einem Parkplatz in Rumänien. Oder über Zoom mit Arno Ehret in der Schweiz.

Welche der 14 Geschichten des Buchs magst du am meisten?

Ich mag jede. Da mache ich keinen Unterschied. Extrem berührt hat mich der Unfall von Para-Schwimmer Holger Kimmig, den ich erst durch die Buch-Recherche kennengelernt habe. Und vor allem, wie positiv er mit seinem Schicksal umgeht.

Du warst ganz nah an den Ortenauer Sportidolen dran. Welche anderen Sportstars hättest du noch gerne kennengelernt?

Boris Becker. Er hat mich als Tennisspieler mit seinen Emotionen fasziniert wie kein anderer. Und heute kann ich ihm stundenlang zuhören, wenn er als TV-Experte ein Match erklärt.

Sicher gibt es auch Artikel, die du mit Rücksicht auf die beteiligten Menschen nie geschrieben hast. In welchen Fällen würdest du Zurückhaltung üben?

Wenn es an die Würde geht oder an die Privatsphäre. In einem Buch kann man allerdings mehr erzählen als in einem Zeitungsartikel, weil über vieles Gras gewachsen ist.

Für Ukraine-Projekt

Du spendest den Erlös des Buches nach Abzug der Unkosten an ein Hilfsprojekt in der Ukraine. Wie kam es dazu?

Seit ich 1998 bei der Box-Gala der Klitschkos in Kiew war, habe ich einen Bezug zur Ukraine. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges hatte ich im Februar 2022 über Facebook Kontakt zu einer ukrainischen TV-Journalistin, Anna Kosstutschenko. Ihre persönlichen Schilderungen haben mich sehr berührt. Es tut mir im Herzen weh, was den Menschen dort widerfährt.

Was sollten die Leute nach der Lektüre deines Buchs bestenfalls sagen?

Ich meine, das sei gerade gestern gewesen! Ich spüre die Gänsehaut wie früher, als ich Zuschauer und live dabei war.

INFO: Das Buch (ISBN 978-3-00-079687-6) hat 456 Seiten und kostet 24 Euro. Es kann ab sofort über www.thomas-kastler.de oder im Buchhandel erworben werden.

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