Ein Denkmal für Ehret, Wagner und den "König der Nacht"

Ein Denkmal für Ehret, Wagner und den "König der Nacht"

Um es vorweg zu nehmen: Den Größen des regionalen Sports hat Kastler kein harmloses Gefälligkeitsbuch gewidmet. Obwohl die unvergesslichen Handballer der Region - ein Arno Ehret, Arnulf Meffle oder Simon Schobel - hervorragend wegkommen. Dem langjährigen Leiter des Ressorts Sport der "Mittelbadischen Presse" ging es vielmehr darum, ihre wichtigsten Spiele mit all deren Dramatik anhand frischer Recherchen und bisher unerzählter Details neu aufleben zu lassen. Dies ist so fabelhaft gelungen, dass hier ein persönliches Geständnis riskiert wird. Beim Lesen der 456 Seiten starken Buches "Blut am Saxophon" (der etwas merkwürdige Titel wird noch erklärt) überkommt einen der Wunsch, es einem Nachwuchssportler als Geschenk in die Hand zu drücken.

Da erzählt der aus dem Offenburger Stadtteil Stegermatt stammende ehemalige Fußball-Nationalspieler Martin Wagner, wie er als kleiner Junge in der 70er Jahren zusammen mit seinem Vater nach den Spielen des OFV Flaschen und Müll im Karl-Heitz-Stadion einsammeln musste. Oder wie er damals beim Training hinter einem Tor stehend den Bentes, Hertwecks und Markovics andächtig zu- und von dem einen das Dribbling und dem anderen die Schusstechnik abschaute. Oder wie das "bessere Offenburg" die Jungs aus seinem Stadtteil als "Taugenichtse" und die "Knackis" von morgen abstempelte, er aber den brennenden Wunsch verspürte, alle eines Besseren zu belehren.

Der am Dorfrand von Schutterwald aufgewachsene Arnulf Meffle berichtet in Kastlers Buch, seine gesamte Kindheit hätte er auf dem Sportplatz verbracht. Vom Anführer der siegreichen Schülermannschaft des Offenburger Oken-Gymnasiums bei "Jugend trainiert für Olympia" bis zum Handball-Weltmeister von 1978 war es aber ein weiter Weg - wie auch für seinen späteren Hofweierer Mannschaftskollegen Arno Ehret aus Seelbach, der als 15-Jähriger noch immer Fußballer werden wollte.

Meffle und Ehret sind nicht nur Weltmeister, sondern auch Lehrer geworden. Es würde aber arg in die Irre führen, könnte man auf den Gedanken kommen, der gebürtige Heidenheimer, aber fast sein gesamtes bisheriges Leben in Offenburg verbringende Thomas Kastler, Jahrgang 1957, hätte ein vordergründig pädagogisches Buch geschrieben. Mitnichten. Es ist vielmehr ein ungeschöntes Zeugnis vom Glanz, aber auch von der Brutalität des Sports. Es handelt nicht nur von beachtlichen Leistungen, sondern auch von gnadenlosen Trainern und rücksichtlosen Egoisten, von begnadeten Managern und unfähigen Funktionären, von packendes Matches und solchen, die zu knüppelharten Auseinandersetzungen ausarteten. Allzu menschliche "Helden" und "Bösewichte" stellen die Besetzungen der Geschichten - so gesehen ist es authentisch und hintergründig erzieherisch. Ein paar "Musterprofis" gibt es auch, wie den Fußballer Sascha Riether, der es aus Lahr-Kuhbach zum SC Freiburg, zum deutschen Meister in Wolfsburg sowie zum Premier-League-Profi beim FC Fulham brachte.

Für die "Mittelbadische Presse" war Kastler bei vier Handball-Weltmeisterschaften als Berichterstatter live dabei. Somit darf nicht verwundern, wie viele Seiten er in seinem Buch dieser Sportart widmet. Den deutschen WM-Sieg von 1978 und die politisch so aufgeladenen Duelle zwischen der BRD und der DDR in der Olympia-Qualifikation 1976 schildert er in großartigen neu entstandenen Reportagen. Der sportliche Aufstieg und Niedergang der drei großen Ortenauer Vereine TuS Hofweier, TuS Schutterwald und TV Willstätt bieten den packenden Stoff für Stories, die den Leser zurückversetzen in eine Zeit, in der Weltklasse-Handballer wie der rumänische "Flüchtling" und Nationalspieler Simon Schobel, der schwedische Weltmeister Magnus Andersson oder der jugoslawische Olympiasieger Hrvoje Horvat in der Ortenau anheuerten. Hinzu kommen Kapitel über den deutschen Spitzen-Ringer Martin Knosp aus Urloffen, die Speerwerfer Christina Obergföll, Boris Henry und Johannes Vetter, sowie über die bei Olympia erfolgreichen Para-Schwimmer Holger Kimmig und Mario Kofler.

Kastler bekam als Journalist oft gesagt, er sei ein Mann der Schlagzeile. Das sei dahingestellt., sein Buch offenbart andere Stärken. Kastler hat nicht nur ein gutes Gespür für Stimmung und Dramaturgie, er beherrscht die Kunst, ein lebendiges Porträt mit wenigen Worten zu zeichnen. Den großartigen, aber tragisch verunglückten Fußballer "Kalla" Bente beschreibt er treffend anhand des Inhalts seines Kulturbeutels, den Handball-Weltmeister-Trainer Vlado Stenzel mit dem Hinweis, wie er die Spieler vor dem Training aufreihte, den einstigen legendären Offenburger "Key-Club" mit einer Tanzszene, das närrische Fasnachtstreiben in Hofweier mit einer Schalktat Arno Ehrets, den Offenburger "Uhlgraben" mit der Bemerkung, dahin trauten sich nicht mal die jungen Fußballer aus Albersbösch. Und das Beste: Die Zeitzeugen-Statements eines prall gefüllten Notizbuchs platziert er so raffiniert pointiert, wie er Nebenfiguren einsetzt, so den legendären Ortenauer "König der Nacht".

Für "Blut am Saxophon" ist jedoch der Boxer Wladimir Klitschko  verantwortlich, der sich bei seinem Auftritt in Offenburg am Mundstück dieses Instruments verletzte.

Das Buch von Thomas Kastler ist in einer ersten Auflage von nur 2000 Exemplaren im Selbstverlag erschienen. Es kostet 24 Euro und kann beim Autor auf seiner Internet-Homepage www.thomas-kastler.de bestellt werden. Den Erlös spendet Kastler einem ukrainischen Hilfsprojekt.

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