Der kleine Wagner und der große Hertweck

Der kleine Wagner und der große Hertweck

Für die jüngeren Zeitgenossen ist der Offenburger FV ein Verein unter vielen. Durchschnitt in der Fußball-Landesliga. Martin Wagner sagt: „Dieser Verein hat eine unglaubliche Vergangenheit. Es war ein Privileg, hier erste Mannschaft zu spielen. Wir waren 3. Liga“, erinnerte der bekannteste Fußballer von der Badstraße an die glorreiche Zeit.

Thomas Kastler hatte am Mittwoch im „Elfer“ des OFV-Stadions zu „Blut am Saxophon – der Talk“ geladen. Er las aus seinem Buch, ließ aber vor allem Protagonisten sprechen. Neben Wagner, dem Jungen aus der benachbarten Stegermatt, auch Uwe Hertweck, den Mittelfeld-Impressario der 80er-Jahre beim OFV, und Rainer Schütterle, den Kehler, dessen Karriere untrennbar mit dem Karlsruher SC verbunden ist. Und das Ganze moderiert von Alfred Metzler, unter dem der OFV 1984 Deutscher Amateur-Meister geworden ist.

Das Format am Mittwoch war ein Talk. Sehr unterhaltsam, und manche Erinnerung kam hoch. Wie sich beispielsweise die Karrieren von Uwe Hertweck und Martin Wagner überschnitten haben. „Das letzte Jahr unter Anton Rudinsky war kein schönes für mich“, bekannte Hertweck, über den Metzler sagte: „Er hat Diagonalpässe über 40, 50 Meter geschlagen. So was hat man in Offenburg zuvor noch nie gesehen.“ Und Martin Wagner gab unumwunden zu: „Als Uwe mit Rudinsky Probleme hatte, ist mein Stern aufgegangen.“

Dabei war der kleine Wagner jahrelang ein glühender Fan des großen Hertweck und ist es noch immer. „Fußballerisch war Uwe einer der besten Spieler, der mir je begegnet ist. Er war für mich eine Koryphäe, ein Vorbild“, bekannte der Mann mit dem starken linken Fuß, der als Jugendlicher „unter der Woche im Training hinterm Tor stand und die Bälle zurückgeschossen“ hat.

Hertweck spielte zu einer Zeit, in der viele Talente für den großen Fußball nicht entdeckt worden sind. Martin Wagner bekam diese Bühne: Am 29. August 1987, als er beim 3:3 im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund zweimal traf. Danach gab es jede Menge Angebote, entschieden hat er sich für den 1. FC Nürnberg. „Ich wollte zu einem Verein gehen, bei dem ich größte Möglichkeiten hatte, zu spielen.“ Er hat es geschafft, beim „Club“ und später beim 1. FC Kaiserslautern. Wagner wurde Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und Nationalspieler.

In der Jugend hat auch Rainer Schütterle für Deutschland gespielt und war damit im Schaufenster. Mit 17 hatte auch der Kehler ein Probetraining in Nürnberg, „doch meine Eltern wollten, dass ich erst meine Lehre mache“. Also ist er dann zum KSC gewechselt und hat da „meine beste Zeit erlebt“ – unter anderem mit dem legendären 7:0-Sieg im Uefa-Cup gegen den FC Valencia.

Der heute 59-Jährige, der über 400 Bundesliga-Einsätze hatte, plauderte am Mittwoch charmant aus dem Nähkästchen, gab unumwunden zu, „dass ich der Gesellschaft nicht abgeneigt war“. Womöglich gab es deswegen immer wieder mal Reibereien mit Trainer-Ikone Winnie Schäfer. „Er hatte vielleicht auch die eine oder andere Erwartung an mich“, glaubt Schütterle, der selbstkritisch bekennt: „Ich hätte vielleicht mehr erreichen können.“ Doch da waren auch die regelmäßigen Montage, die er gerne bei den Kumpels in Kehl verbrachte – und das ging auch noch, als er von 1987 bis 1989 beim VfB Stuttgart spielte.

Wagner dagegen ist „stolz“ auf das, was er erreicht habe. „Von da, wo ich herkomme, ist es ein unglaublicher Spagat gewesen“, sagte der Offenburger, der mit 17 Jahren am Scheideweg stand. „Blödsinn“ habe er gemacht, war in eine Schlägerei verwickelt und landete im Jugendarrest. „Eingesperrt zu sein“, sagt er am Mittwoch, „ist das Schlimmste, was du dir antun kannst.“

Gerne würde er heute Jugendlichen seine Erfahrungen weitergeben, leider habe in Offenburg keiner Interesse daran. Und so ganz im Stillen, deutete Wagner an, verschwinde auch das Interesse am OFV. Mit Blick auf den Abriss des Stadions sei für ihn klar: „Der Verein muss seine Geschichte neu schreiben.“

 

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