Lahr. Es trifft sich gar nicht so schlecht, dass der Abend der Buchpräsentation in der Buchhandlung Schwab in die Tage der Handball-Weltmeisterschaft 2025 fällt. Man kann sich so lebendiger vorstellen, was es bedeutet haben mag, dass die Mannschaft der alten Bundesrepublik vor 47 Jahren in Kopenhagen auf sensationelle Art und Weise Weltmeister geworden war. Die damalige Hierarchie im internationalen Handball ließ einen derartigen Erfolg nicht mal erahnen, dennoch führte der jugoslawische Trainer-Guru Vlado Stenzel die westdeutschen Handballer zu einem historischen Triumph. Zwei der besten Spieler des deutschen WM-Teams von 1978 kamen aus der Ortenau und spielten damals beim TuS Hofweier: Arno Ehret aus Lahr und Arnulf Meffle aus Langhurst. In "Blut am Saxophon" sind beiden viele Seiten gewidmet.
Der Autor Thomas Kastler, Jahrgang 1957 und langjähriger Ressortleiter Sport der Mittelbadischen Presse, schilderte am Dienstagabend vor etwas mehr als zwei Dutzend Gästen, wie er er auf die Idee zu diesem Buch kam: Der Lockdown während der Corona-Pandemie hatte dem Sportjournalisten die Grundlage der täglichen Arbeit entzogen. Es sei deshalb an Ostern 2020 wie eine "Gebetserhörung" gewesen, so Kastler, als ihn plötzlich der Gedanke heimsuchte, Geschichten über die Größen des Ortenauer Sports zu schreiben": "Die Themen für elf Kapitel waren in meinem Kopf sofort da."
Kastler hat in seiner beruflichen Laufbahn von vielen sportlichen Großereignissen berichtet - vor allem von Handball-Weltmeisterschaften und-Europameisterschaften. Bei der WM 1978 in Dänemark war der gebürtige Heidenheimer allerdings noch nicht dabei. Dafür aber Wolfram Köhli, der damals als junger Redakteur bei der "Badischen Zeitung" angefangen hatte. Köhli, über viele Jahre ein ausgewiesener Handball-Experte, übernahm in der Buchhandlung Schwab die Rolle des Moderators und erinnerte sich, wieso ihn seine Zeitung erst während des WM-Turniers - und ziemlich ad hoc akkreditiert - nach Dänemark entsandte: Deutschland musste in der Vorrunde erst gegen den Olympiasieger von 1972 und den WM-Dritten von 1974, Jugoslawien, mit 18:13 gewinnen und der Hofweierer Meffle dabei sieben Tore erzielen, damit man im Verlag in Freiburg bemerkte, was sich in Odense, Helsingör und Kopenhagen zusammenbraute.
Ungefähr eine halbe Stunde lang erzählte Meffle, wie er unter Vlado Stenzel Nationalspieler und Weltmeister wurde. Diese verging für das Publikum wie im Fluge, denn schon sein Wechsel vom TuS Schutterwald zum TuS Hofweier ist eine fesselnde Story. In den 70er Jahren hatte zwischen den beiden Ortschaften eine Rivalität geherrscht, die schon eine "Mischehe" zwischen einem Schutterwälder und einer Hofweiererin zu einer skandalträchtigen und verbotenen Liebe machte. Doch der angehende Student Meffle musste von einem Regional- zu einem Erstligisten wechseln, sonst hätte ihn der strenge Stenzel nicht zur WM mitgenommen. Dafür konnte sich Meffles Vater wochenlang an keinem Schutterwälder Stammtisch mehr blicken lassen. In Dänemark avancierten indes die Ortenauer Ehret und Meffle zur gefürchteten Flügelzange des Turniers, als Spitze der 5-1-Abwehr engte Meffle zudem im Endspiel gegen die UdSSR (20:19) die Kreise des sowjetischen Starspielers Wladimir Maksimow entscheidend ein. Dies passierte am Sonntagnachmittag des 5. Februar 1978 im Kopenhagener Stadtteil Bröndby, während zuhause in Langhurst wegen der TV-Übertragung des Endspiels zum ersten Mal der Fasnachtsumzug ausfiel.
Als Kastler von 2020 bis 2024 an seinem 450 Seiten starken Buch schrieb, schlüpfte sein guter Freund Alfred Metzler in die Rolle des Testlesers. Kastler legte dem ehemaligen Fußball-Profi des Freiburger FC und langjährigen Stützen des Offenburger FV immer mal wieder ein Kapitel zur Lektüre vor, Metzler sagte am Dienstagabend: "Ich war jedes Mal begeistert und gerührt." Kastler schrieb nicht nur über die WM-Helden von 1978, sondern auch über den Aufstieg und Niedergang der drei großen Ortenauer Handballvereine aus Hofweier, Schutterwald und Willstätt, die Fußball-Profis Martin Wagner und Sascha Riether, die Speerwerfer-Asse Christina Obergföll, Boris Henry und Johannes Vetter oder die Para-Schwimmer Holger Kimmig und Mario Kofler.
Doch auch Metzler hatte Kastler viel für dessen Buch beizutragen. Jahrelang war der gebürtige Wolfacher in Offenburg und Freiburg der treue Wegbegleiter eines der besten Fußballer, den die Region je erlebt hat - Karl-Heinz Bente. Als der ehemalige Mittelfeldregisseur am 24. Januar 1984 auf der Autobahn bei Teningen tödlich verunglückte, war Metzler sein Nachfolger auf der Trainerbank beim OFV und führte nur Monate später die Rot-Weißen von der Badstraße zum Gewinn der deutschen Amateurmeisterschaft.
Als Kastler aus seinem Buch die Passage über Bentes tragischen Unfall vorlas, herrschte in der Buchhandlung Schwab betretene Stille. Nachdenklich wurde das Publikum, als der Lehrer Meffle zum Besten gab, früher hätten ihn seine Schüler am Wochenanfang auf seine aktuellen Spiele angesprochen. Jahre später kam es vor, dass Schüler erwähnten, vom Vater wüssten sie, er sei mal ein guter Handballer gewesen. "Das sind heute Großväter", sagte Meffle. Man kann sich des Gedankens dabei nicht erwehren, Kastlers Buch sollte Pflichtlektüre an allen Ortenauer Schulen werden.
Das Buch von Thomas Kastler ist in einer ersten Auflage von nur 2000 Exemplaren im Selbstverlag erschienen. Es kostet 24 Euro und kann beim Autor auf seiner Internet-Homepage www.thomas-kastler.de bestellt werden. Den Erlös spendet Kastler einem ukrainischen Hilfsprojekt.